Der Begriff der Materialität vereint vielfältige Fragestellungen und Forschungsperspektiven, die die Ding- und Objektwelt in ihren Relationen zu menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren und Infrastrukturen reflektieren. Je nach disziplinärem Zugang kann das, was unter Material und Materialität verstanden werden soll, sehr unterschiedliche Konturen annehmen. Im Kontext der Kunst stehen unter dem Aspekt der Materialität zum einen traditionell gestalterische Auseinandersetzungen mit Form und Ausdruck im Mittelpunkt (Materialien), zum anderen wird explizit mit der Frage, was das Material der Kunst (im Sinne von Themen, Sujets und Ausgangspunkten) ist, seit Duchamp auch ein Reflexionsmoment aufgerufen, das eine Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst nach dem conceptual turn überhaupt erst ermöglicht.
In der Kulturwissenschaft werden seit dem material turn das Wissen der Materialien selbst und die Versuche, dieses Wissen kommunikabel zu machen thematisiert. Insbesondere in der postdigitalen Gesellschaft, in der das Internet als selbstverständliches Epistem die Wirkung und Präsenz von Material prägt, finden permanente Neukonfigurationen der Gegenwartskultur statt, die zwischen digitaler Repräsentanz von Materialität und der Sehnsucht nach Originalität und taktiler Bezugnahme oszillieren. Hier ergeben sich fundamentale Verschiebungen in und an den Kontexten des künstlerischen Handelns, der Distribution von und der Kommunikation über Kunst, der Ermöglichung ästhetischer Erfahrung und in der Folge auch des Grundverständnisses von Materialität in der Kunst. Zeitgenössische Ansätze der Philosophie – u.a. spekulativer Realismus, neuer Realismus, neuer Materialismus oder die Object Oriented Onthology – untersuchen diese Verschiebungen in einem breiten Horizont im Anschluss an die Actor-Network-Theory.
All diese Diskurse und Überlegungen prägen die Kunst der Gegenwart und bringen Formen wie Post-Internet Art in Gestalt einer spekulativen Poetik hervor. Grundlegend ist hier ein transhumaner Materialbegriff, der sich nicht in den klassischen Dichotomien wie Körper/Geist, Leib/Seele, Subjekt/Objekt, aktiv/passiv, Empirie/Theorie usw. begreifen lässt und stattdessen eine transmediale spekulative Praxis vorschlägt. All das ist bisher nicht Gegenstand einer gelebten Kunstvermittlung und stellt ein Desiderat der kunstpädagogischen Theorie- und Konzeptbildung dar, der im Kontext dieses Themenclusters auf vielfältige Art und Weise nachgegangen werden soll.